Rechtsstellung der Notare


1. Rechtsstellung der Notare gemäß Verfassung

Gemäß § 1 Abs. (4) des Gesetzes Nr. XLI von 1991 über die Notare (im Weiteren: NotG) ist „der Notar Teil der staatlichen Rechtsprechung und ist im Rahmen seiner gesetzlich festgelegten Zuständigkeit als Behörde der Rechtspflege tätig.“ Im ungarischen Rechtssystem ist der Notar – in Anbetracht der einschlägigen Rechtsnormen sowie der relevanten Beschlüsse des Verfassungsgerichts und der Kurie (Oberster Gerichtshof) – sowohl bei Anfertigung von Urkunden als auch in nichtstreitigen Verfahren als Träger eines öffentlichen Amtes tätig.

a) Im Beschluss Nr. 944/B/1994 des Verfassungsgerichts über die Stellung des Notariats in der ungarischen Rechtsordnung heißt es: „Die Tätigkeit der Notare ist Bestandteil der staatlichen Justiz. […] Das Notariat ist in das staatliche Justizsystem eingebunden. […] Da es Teil der staatlichen Rechtsprechung […] ist, ist sein Aufbau dem der Gerichtsbarkeit angepasst. […] „Die Besonderheit der notariellen Tätigkeit ergibt sich aus dem System der Rechtsprechung und der Rechtspflege.”

b) Der Oberste Gerichtshof führte in seiner Entscheidung Nr. 3/2004 zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Zivilsachen bezüglich des Justizcharakters der notariellen Tätigkeit aus:

„Die Institution des Notariats ist derjenige Teil der Rechtsprechung, dessen Ziel in der Vorbeugung von Rechtsstreitigkeiten, also in der Prävention besteht. […] Die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des Notars steht der Rechtsstellung eines Richters (Staatsanwalts) sehr nahe. Die Vorschriften des NotG bezüglich der Ernennungsvoraussetzungen (§ 17), der Unvereinbarkeit [§ 7. Abs. (1)], des erwarteten Verhaltens (§ 8), der Unversetzbarkeit [§ 20 Abs. (1)] und der Altersgrenze im Dienst [§ 22 Punkt f)] sind im Wesentlichen die gleichen, wie die einschlägigen Bestimmungen bezüglich der Richter. Auf Ausschluss eines Notars sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über den Ausschluss eines Richters anzuwenden (§ 4.) […] Der Notar ist – wie der Richter – unabhängig, weil er nur dem Gesetz unterliegt, und er ist nicht an Weisungen gebunden [§ 2 Abs. (1)]. Die Tätigkeit des Notars zeichnet sich durch öffentlichen Glauben [§ 1 Abs. (1)], und seine Person durch öffentliches Vertrauen aus (§ 8). Der Notar hat unparteilich und unvoreingenommen zu sein [§ 1 Abs. (1), § 2 Abs. (2)]. Der Oberste Gerichtshof hielt in dieser Entscheidung fest, dass notarielle Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen, also nicht streitig sind.

Das neue Grundgesetz Ungarns geht teilweise sogar darüber hinaus. Aus Art. 25 Abs. (2) und (7) kann gefolgert werden, dass die grundsätzliche Aufgabe der Gerichte das Urteilen in Straf- und Zivilsachen ist. Das Grundgesetz erteilt eine verfassungsmäßige Ermächtigung, in gewissen Rechtsstreitigkeiten durch Gesetz außergerichtliche Organe einzusetzen[1].

Ziel der Institution des Notariats ist die Vorbeugung von Rechtsstreitigkeiten, was sie durch unabhängige Rechtsanwendung, durch unparteiliche Rechtspflege als öffentliches Amt und durch ihren öffentlichen Glauben erreicht. Das Notariat entlastet die Gerichte, dient der Sicherheit und Effektivität des Wirtschaftsverkehrs, indem es einerseits nicht rechtsprechende Tätigkeiten der Gerichte unmittelbar übernimmt (Abfassen von Urkunden, sonstige nichtstreitige Verfahren zur Vermeidung von Prozessen), andererseits mittelbar, durch Wahrnehmung ihrer eigenen Zuständigkeiten. Das Letztere erreicht sie dadurch, dass notarielle Verfahren ohne Prozess einen Vollstreckungstitel begründen, und in gewissen Fällen ist der notarielle Beschluss auch mit der res iudicata verbunden[2], bzw. sie gibt den Beteiligten sehr starke Beweismittel in die Hand, die sie vom weiteren Prozessieren wirksam abhalten.

1.1 Ernennung zum Notar, der Weg zum Notariat

Aus der in der Verfassung verankerten Rechtsstellung der Notare in Ungarn folgt, dass sie Rechtspflege als Behörde ausüben, deshalb kann das Amt des Notars nur durch Personen bekleidet werden, die nach einem Ausschreibungsverfahren vom Justizminister zum Notar ernannt wurden. Zum Notar können nur ungarische Staatsbürger bestellt werden. Der Notar wird vom Staat beauftragt, Aufgaben der staatlichen Rechtsprechung auf Ansuchen von Parteien wahrzunehmen. Die örtliche Zuständigkeit der Notare deckt sich im Allgemeinen mit der der Amtsgerichte. Sie können außerhalb ihres Zuständigkeitsgebiets nicht rechtswirksam tätig werden. Der Notar ist verpflichtet, auf Ansuchen von Parteien ein Verfahren durchzuführen, er darf nicht erwägen, ob sich das gewünschte Verfahren für ihn wirtschaftlich auszahlt. Der Notar muss die Mitwirkung verweigern, wenn das Ansuchen der Partei rechtswidrig oder auf Umgehen einer Rechtsnorm ausgerichtet ist. Anzahl und Tarif der Notare werden vom Justizminister in einer Verordnung geregelt.

In Ungarn müssen Notare über ein abgeschlossenes Studium der Staats- und Rechtswissenschaften verfügen. Nach dem Jurastudium leisten sie einen dreijährigen Anwärterdienst bei einem Notar ab, anschließend legen sie die Fachprüfung ab, und nach bestandener Prüfung dürfen sie als Notarassessor tätig werden. Der Notarassessor handelt unter Fachaufsicht des Notars eigenständig, wobei der Notar volle Haftung für seine Tätigkeit übernimmt. Nach drei Jahren Vorbereitungsdienst als Notarassessor kann er den Notar im Fall seiner Krankheit oder Abwesenheit auf eigene Verantwortung selbstständig vertreten, und sich auf eine frei gewordene Notarstelle bewerben.

1.2 Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit, Unparteilichkeit

Die Rechtsstellung des Notars weist viele Ähnlichkeiten mit der eines Richters auf. Der Notar ist unabhängiger Rechtspfleger, unterliegt nur den Gesetzen und ist weisungsfrei. Gegen alle Verfahren des Notars steht der ordentliche Rechtsweg offen, wobei der Notar – von einigen Ausnahmen abgesehen – als Amtsgericht eingebunden wird. Die institutionelle Unabhängigkeit des Notars wird dadurch verstärkt, dass er nur auf eigenen Antrag versetzt werden kann. Zur Gewährleistung der notariellen Unabhängigkeit ist zwingend vorgeschrieben, dass Notare außer Wahrnehmung ihrer Amtspflichten als sonstige Erwerbstätigkeit nur wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Tätigkeiten nachgehen, oder in den Bereichen Lehre, technische Erfindungen und Sport tätig sein dürfen. Diese Tätigkeiten haben sie beim Präsidium der Bezirkskammer anzumelden.

Der Notar muss in seinen Verfahren unparteilich sein. Bei gewissen gesetzlichen Tatbeständen oder wenn er das Gefühl hat, nicht unparteilich vorgehen zu können, kann er die Mitwirkung mit einem formbedürftigen Beschluss verweigern, gegen den Berufung eingelegt werden kann.



[1] Zur Frage eingehend siehe: Köblös, Adél: A közjegyzők és az Alaptörvény (Notare und das Grundgesetz). In: Magyar Jog (Ungarisches Recht), Nr. 3 Jg. 2014, p. 129–136.

[2] Rechtskräftig genehmigte Vergleiche in Nachlass- und in sonstigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, rechtskräftiger Mahnbescheid, rechtskräftiger Beschluss über Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.